Kronensicher­ungen – vom Einbau bis zur Kontrolle

Definition

Eine Kronensicherung (auch: Kronensicherungssystem, Baumkronensicherung oder Baumsicherung) beschreibt eine baumpflegerische Maßnahme, die der Stabilisierung der Baumstatik dient. Dabei werden ganze Baumkronen, Kronenbereiche oder einzelne Starkäste (Äste mit einem Durchmesser > 10 cm) am Ausbrechen gehindert und zum Teil auch vor dem Herunterfallen gesichert. Die Stabilisierung erfolgt mittels Kunstfaserseilen, Stahlseilen oder Gewindestangen und soll die auf den Baum wirkenden Kräfte (zum Beispiel Wind- und Schneelasten) besser verteilen und so geschwächte Baumpartien entlasten.

Vorteile der Kronensicherung

Kronensicherungen funktionieren durch Lastumverteilung. Bruchgefährdete Kronenpartien werden entlastet und von stabilen Partien mitgetragen. Dieses System funktioniert, weil der sogenannte Holzkörper von gesunden Bäumen ausreichend Sicherheitsreserven für diese Lastumverteilung hat.
Das Hauptziel von einer Kronensicherung ist es hauptsächlich bei Extrembedingungen (wie beispielsweise Stürmen oder Nassschneeereignissen) den geschwächten Holzkörper zu entlasten, unter allen anderen Bedingungen soll der Holzkörper das Eigengewicht selbst tragen. Denn nur wenn der Baum merkt, dass er sein Gewicht selbst tragen muss, laufen im Baum Wachstumsprozesse ab, die der nachhaltigen Stabilisierung dienen. Der große Vorteil einer Kronensicherung ist dabei, den Baum ganz ohne Schnittmaßnahmen bruchsicher gestalten zu können. Dennoch gehen mit dem Einbau einer Kronensicherung oftmals auch entlastende Schnittmaßnahmen einher, welche dann aber so gering wie möglich gehalten werden können. Somit können negative Einflüsse wie das Eindringen von Fäule in den Stamm, ausgelöst durch Schnittmaßnahmen, und der Verlust der natürlichen Saftflüsse im Baum ganz ausgeschlossen oder zumindest gering gehalten werden. Ein weiterer Vorteil einer Kronensicherung ist, dass die für den Baum typische Form (Habitus) nicht verloren geht. So kann diese selbst bei sehr alten Bäumen noch sehr lange erhalten werden.

Wann machen Kronensicherungen also Sinn?

Kronensicherungen machen immer dann Sinn, wenn Eingriffe entweder den Habitus (Baumform) zerstören würden, oder diese so invasiv wären, dass dabei entstehende Wunden die natürlichen Abwehrmechanismen des Baumes zu sehr strapazieren würden. Während ersteres einer sehr subjektiven Bewertung unterliegt und letztlich sowohl vom Empfinden des Baumbesitzers abhängt, als auch in dessen Ermessen liegt, ist letzteres eine Frage der spezifischen Wundreaktionen des betreffenden Baumes. So ist diese abhängig von Baumart, Baumalter, Standort, Vitalität und weiteren äußeren Einflüssen. Wenn dem Baum anhand dieser Faktoren gute Wundreaktionen zugeschrieben werden können, die Stabilisierung des Baumes auch durch einen entsprechenden Kronenrückschnitt erzielt werden kann und der Habitus dabei kaum verändert werden muss, so ist dem Baum ein solch invasiver Eingriff zumutbar. Andernfalls findet die Kronensicherung ihre Anwendung.

Anforderungen an Kronensicherungs­systeme

Wer nach den Richtlinien der ZTV-Baumpflege (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege) arbeitet, verpflichtet sich zugleich auch eine Vielzahl an Anforderungen beim Einbau einer Kronensicherung zu erfüllen.
Diese sind:

  • alle Stoffe, Bauteile und Systeme müssen eine Haltbarkeit von mindestens acht Jahre aufweisen und bei Metall gegen Korrosion geschützt sein
  • alle Teile müssen eine Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen (z. B. Wetter) aufweisen
  • die Systeme müssen sich dem Wachstum der Bäume eigenständig anpassen können oder nachjustiert werden können
  • umschlingende Seile müssen die Drucklast auf eine breitere Auflagefläche verteilen
  • die Hersteller müssen bestätigen, dass sich das System hinsichtlich Bruchlast, Dehnungsverhalten, Feuchtigkeitsverlust über die Zeit und Aufnahme von Dauerlasten für den verwendeten Zweck eignet

Die unterschiedlichen Kronensicherungs­systeme im Vergleich

Es befinden sich zur Zeit verschiedenste Kronensicherungssysteme auf dem Markt. Der Trend zeigt deutlich auf, dass in der modernen Baumpflege fast ausschließlich  verletzungsfrei einzubauende Systeme verwendet werden. Diese Systeme verletzen weder den Holzkörper noch die Rinde der Bäume. Aufgrund dieser Entwicklung wurden in der überarbeiteten ZTV-Baumpflege von 2017 die verletzenden Kronensicherungssysteme gestrichen.
Grundsätzlich können die einzelnen Systeme anhand der folgenden Merkmale unterschieden werden:

Zusammensetzung

Kronensicherungen können grundlegend nach ihrer Zusammensetzung unterschieden werden.
Einkomponentensicherungen bestehen umlaufend auf ganzer Länge aus demselben Material, dennoch besteht das Gesamtsystem meist aus mehreren Teilen, welche notwendig sind, um eine breitere Auflagefläche am Baum oder die Jahreskennung zu ermöglichen.
Mehrkomponentensicherungen bestehen hingegen grundsätzlich aus mehreren Komponenten, da beispielsweise Befestigungsschlaufen und Verbindungselemente bereits als eigenständige Teile konstruiert sind. Dabei dienen häufig vorgefertigte Gurte oder Schlaufen als Auflagefläche am Baum, während Seile nur zur Verbindung dieser dienen.

Materialdehnung

Dynamische Kronensicherungen werden aus textilen Materialien hergestellt und dehnen sich unter Lasteinwirkung. Beim Einbau wird auf einen geringen Durchhang geachtet. So wird eine Einschnürung oder ständige Reibung verhindert und die gesicherte Kronenpartie wird trotzdem belastet. Diese nur geringfügige Entlastung erlaubt dem Baum trotzdem Reaktionsholz auszubilden und fördert somit das angestrebte Erlangen der natürlichen Eigenstabilität. Während die dynamische Kronensicherung nur bei Spitzenbelastungen wie bei einem Sturmereignis Kronenpartien stabilisiert, geschieht dies bei einer statischen Sicherung durchgehend. Statische Systeme haben keine oder nahezu keine Dehnung und bestehen meist aus Metallseilen. Diese Art von Sicherung wird bei sehr hoher Bruchgefahr eingesetzt, sollte jedoch aufgrund der ausbleibenden Selbststabilisierung nur in begründeten Ausnahmefällen verwendet werden.

Einsatzbereich

Bruchsicherungen verteilen die einwirkenden Kräfte auf andere Baumpartien, sodass der gesicherte Bereich am Ausbrechen gehindert wird. Haltesicherungen hingegen sollen zusätzlich, neben dem Verhindern des Ausbrechens, die gesicherte Krone noch am herunterfallen oder -kippen hindern. Sie finden Verwendung, wenn keine Schnittmaßnahmen möglich oder gewünscht sind, wie beispielsweise beim Belassen von größerem Totholz als Naturschutzmaßnahme.

Materialien

Während bei Baumkronensicherungen früher meist Stahlbänder, Metallbolzen und Stahlseile verwendet wurden, bestehen sie heute aus besonders widerstandfähigen Kunststoffen. Ein Problem der ersten Kronensicherungen war neben der Korrosion der metallischen Teile auch das Einwachsen beziehungsweise Scheuern an der Rinde. Die so entstandenen Wunden stellten ideale Eintrittspforten für holzzersetzende Pilze dar. Eine Maßnahme, die den Baum eigentlich stabilisieren sollte, konnte so häufig zu einer Gefahr für dessen Bruchsicherheit werden. Daher werden heutzutage licht- und wetterbeständige Kunststoffelemente (beispielsweise Seile, Gurte und Bänder) verwendet, die im Gegensatz zu den ursprünglichen Kronensicherungen auch eine gewisse Dehnung aufweisen können und somit auch dynamisch eingebaut werden können.

Polyamid
Polyamid (kurz: PA) weist eine hohe Festigkeit und Steifigkeit auf und verschleißt daher kaum. Die Dehnbarkeit der Fasern ist äußerst hoch, verändert sich jedoch bei Nässe.

Polyester
Polyesterfaser (kurz: PES) sind formstabil und widerstandsfähig gegenüber klimatischen Einflüssen. Sie sind scheuerfest und eignen sich sehr gut für Dauerlasten. 

Polyethylen
Ployethylen (kurz: PE) hat ein geringes Gewicht, aber auch eine geringe Bruchdehnung. Jedoch ist es zug- und scheuerfest und auch beständig gegenüber den meisten Lösungsmitteln wie Benzin.
Die bekannten Dyneemaseile werden aus besonders dichten Polyethylenfasern hergestellt. So sind diese Seile durch eine besonders hohe Festigkeit bei geringem Gewicht ausgezeichnet.

Polypropylen
Polypropylen (kurz: PP) hat ebenfalls ein geringes Gewicht. Es ist zugfest und formbeständig und verschleißt kaum. Zudem ist es hitzebeständig und unempfindlich gegenüber Wettereinflüssen, wird jedoch unter 0°C spröde.

Alterung

Materialien, die der Witterung ausgesetzt sind, altern mit der Zeit und verlieren so an Bruchfestigkeit. Untersuchungen an PP-Seilen zeigten nach fünf Jahren einen Festigkeitsverlust von durchschnittlich nur 10%, bei PE-Seilen lag dieser Wert bei durchschnittlich 50% (Brudi, E., Detter, A. & Bischoff, F., 2000). Für die Praxis spielen die Festigkeitsverluste jedoch kaum eine Rolle, da die Hersteller die Haltbarkeit für mindestens acht Jahre Einbauzeit garantieren müssen (oder freiwillig für mehr). Daher sind die Seile für mehr Last konzipiert, so dass sie auch bei den üblichen Festigkeitsverlusten durch die Materialermüdung innerhalb des Garantiezeitraumes die vom Hersteller angegebene Mindestbruchlast einhalten.

Mindestbruchlasten der verschiedenen Kronensicherungs­systeme

In den nachfolgenden Tabellen finden Sie aus der  ZTV-Baumpflege entnommene Werte für verschiedene Kronensicherungssysteme (Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. [FLL], 2006). Da aktuell noch kein gesichertes und praktikables Verfahren zur Berechnung von Lasten, die auf Baumteile wirken, besteht, handelt es sich bei allen genannten Werten um Erfahrungswerte. Alle Bruchlasten beziehen sich dabei auf die Mindestsystembruchlast. Entscheidend für diesen Wert ist der Bestandteil des Systems, der die niedrigste Bruchlast aufweist.

Erfahrungswerte für die Bemessung dynamischer Kronensicherungssysteme

Durchmesser des zu sichernden Astes/Stämmlings [1]

Mindest­system­bruchlast [2][3]

bis 40 cm2,0 t
bis 60 cm 4,0 t
bis 80 cm8,0 t
über 80 cmindividuelle Beurteilung

Erfahrungswerte für die Bemessung statischer Kronensicherungssysteme

Durchmesser des zu sichernden Astes/Stämmlings [1]

Mindest­system­bruch­last [2][3]

bis 40 cm4,0 t
bis 60 cm 8,0 t
bis 80 cm16,0 t
über 80 cmindividuelle Beurteilung

Erfahrungswerte für die Bemessung von Haltesicherungen

Durchmesser des zu sichernden Astes/Stämmlings [1]

Mindest­system­bruchlast [2]

bis 30 cm2,0 t
bis 40 cm4,0 t
bis 60 cm 8,0 t
bis 80 cm16,0 t
über 80 cmindividu­elle Beur­tei­lung

[1] zur Zeit des Einbaus gemessen an der Basis
[2] für die zugesagte Funktionsdauer
[3] beim Einbau in mindestens 2/3 der Länge des zu sichernden Astes/Stämmlings

Kontrolle von Kronensicherungen

Um gewährleisten zu können, dass Kronensicherungen ihren Zweck erfüllen, sollten sie in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Da Bäume, in denen Sicherungssysteme eingebaut werden, meist stark geschädigt sind und oftmals geringe Bruchfestigkeiten aufweisen, empfiehlt sich ein Kontrollintervall von einem Jahr und weniger. Die Kontrolle der Kronensicherung erfolgt meist vom Boden aus, nur bei weitergehenden Untersuchungen wird die Seilklettertechnik (SKT) oder Hubarbeitsbühnen angewendet. Neben dem Materialzustand der verbauten Kronensicherung und dem Alter, welches Anhand der einheitlichen Farbkennung ersichtlich wird, ist die Kronensicherung auch auf Spannungen oder übermäßige Dehnungen zu prüfen. Kronensicherungssysteme sollten zudem weder scheuern, noch einschnüren oder einwachsen.

Kronensicherungen-Farbenkennungen-Jahre
Farbenkennungen von Kronensicherungen: Der Farbcode wiederholt sich alle 8 Jahre und wird von allen Herstellern benutzt

Literatur

  • Brudi, E., Detter, A., & Bischoff F. (2000, Juni). Tree bracing – new systems – new techniques. Beitrag präsentiert auf der ISA-Konferenz, Valencia, Spanien.
  • Forschungsgesellschaft Landschaftentwicklung Landschaftsbau e.V. [FLL](Hrsg.). (2006). ZTV-Baumpflege. Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege (5. Aufl.). Bonn: FLL.

Weblinks

2 Gedanken zu „Kronensicher­ungen – vom Einbau bis zur Kontrolle“

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